ALLEGORIE
Alfred Rethel (1816 - 1859): Auch ein Totentanz (1849)
Holzschnittfolge (fünfaktige Tragödie mit Vorspiel), Begleitverse von Robert Reinick
Der Kunsthistoriker Richard Hamann vergleicht in seiner 1932 erschienenen "Geschichte der Kunst" das sechste Blatt der Holzschnittfolge mit dem Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" (1830) von Eugène Delacroix:
"Rethel schildert dieselbe Situation im Holzschnitt, auch nicht ohne altertümliche Technik - von den Nazarenern herkommend, wählt er Dürers Holzschnittmanier - und nicht ohne Allegorie: Der Anführer des aufrührerischen Volkes ist der Tod selber in seiner knöchernen Gestalt. Aber diese Technik entspricht dem Volk und seinen Taten, sie ist selber volkstümlich, derb, einfach, zuhauend und schlagkräftig; jeder Strich sitzt. Und der Tod ist selber ein Volksmann, ein wilder Geselle und Hetzer - kein Augenschmaus, sondern notwendiges Glied im Ganzen. Das Blatt will Revolutionsplakat sein und wie jedes Revolutionsplakat nicht Wahrheit, sondern Wirkung, nicht Tatsächliches, sondern Radikales, nicht Zustände sondern Ideen geben. Diese Idee ist nun freilich eine andere als in Frankreich; es ist letzten Endes die, daß das Volk, das die Freiheit seiner Gedanken und die Friedfertigkeit seiner Arbeit, kurzum seine Menschlichkeit zur Geltung bringen will, sich selbst das Grab gräbt, wenn es dies mit den Waffen in der Hand tut. Es ist eine Absage an den Revolutionsoptimismus der Franzosen, aber deshalb in der Gesinnung viel stärker neue Zeit und neunzehntes Jahrhundert und in der Form restlos und echt."
Friedrich Rothe äußerte sich in dem 1972 erschienenem Katalog der NGBK Berlin zur Ausstellung "Kunst der bürgerlichen Revolution von 1830 bis 1848/49" folgendermaßen (S. 145):
"Im Verlauf der Revolution zeigt sich Rethel als ideologischer Vertreter dieser liberalen Bourgeoisie, wenn er mit seinem Holzschnittzyklus "Ein Totentanz aus dem Jahre 1848" alle demokratischen Forderungen, die über die nach der Einheit Deutschlands hinausgingen, im wahrsten Sinne verteufelte. Rethel stellt den Tod mit roter Hahnenfeder an seinem Hut als Agitator der "rothen Republik" dar, in der Freiheit, Gleichheit und "Brudersinn" herrschen sollen. Mit diesen Forderungen hat der Tod jedoch nichts anderes im Sinn, als das Branntwein trinkende Volk vor die Gewehre der Konterrevolution zu führen, die mit ihren Kugeln das Versprechen der Gleichheit und Brüderlichkeit einlöst. Mit diesem Zyklus schuf Rethel der Konterevolution ein Kunstwerk, das sie bis in die Zeit des Faschismus im ideologischen Kampf eingesetzt hat."
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