ALLEGORIE

   

Allegorie (griech. "anders ausdrücken"), gleichnishafte, sinnbildliche Darstellung abstrakter Begriffe, Vorstellungen und gedanklicher Zusammenhänge, unterschieden, wenn auch nicht eindeutig abgegrenzt vom / Symbol durch Umsetzung des Begriffes in eine Menschengestalt (Personifikation), welche häufig besonderer Kennzeichen (Attribute), mitunter sogar erläuternder Schrift (Tituli) bedarf, doch auch durch Mimik und Kleidung ihre Bedeutung erkennen lassen kann. Seltener als die Gestalt des Menschen tritt die des Tieres als Allegorie auf. Bei komplizierten Sinngehalten oder bei Addition sinnbildlich dargebotener Einzelzüge erweitert sich die Personifikation zu fiktiven Handlungen (Vorlagen bietet häufig die Literatur, z.B. Tierfabeln), oder sie gelangt zur Subordination unter ein bildliches Gesamtmotiv (z.B. Delacroix: Die Freiheit führt das Volk, 1831).

 

Extrem vielschichtige Allegorien (bes. im Barock) waren meist auf literarische Programme angewiesen. Kaum ein Begriff philosophisch verallgemeinerter Erscheinungen der Natur bzw. des gesellschaftlichen und individuellen Lebens blieb undargestellt, wobei Stoffwahl und Art der Darstellung von der jeweiligen Zeit bestimmt wurden. In der griechischen Antike war die Allegorie mit der anthropomorphen Mythologie verbunden, von der sie die Form der Personifikation übernahm. die wohl von den Römern auf abstrakte Begriffe ausgedehnt wurde. Von der Antike entlehnte vieles das Christentum, das im Mittelalter die Allegorie zur Darstellung theologischer und moralisch-didaktischer Begriffe und Begriffssysteme wie Tugenden und Laster, Gerechtigkeit, Liebe usw. anwandte oder zur typologischen Gegenüberstellung des A.T. und N. T. als Ecclesia und Synagoge.

 

Auch das Glück (Fortuna), die Zeit (Jahreszeiten), das Leben usw. sind häufig wiederkehrende Gegenstände der Allegorie. Sie wird immer vielgestaltiger und schwerer deutbar, nachdem Scholastik und Mystik infolge der ideologischen Auseinandersetzung mit dem Städtebürgertum und dem neuen Realismus entstanden waren. Mit der Renaissance trat neben die Welt der christlichen Allegorie, vielfältig mit dieser sich verflechtend, die antik-mythologische Bilderwelt, die im Zusammenhang mit der Entwicklung des Realismus zur Verweltlichung der Künste beitrug.

 

Als Mittel des Klassenkampfes erweist sich die Allegorie in volkstümlich moralisierenden, satirischen Holzschnitten, Flugblättern usw. mit Themen des Wuchers, der Tyrannei oder Gleißnerei (z. B. im Zyklus "Christus und Antichristus", Ausdruck der Hussitenbewegung und Reformation).

 

Besonders durch Neuplatonismus und Gegenreformation erfolgte die Verknüpfung der heidnisch - antiken und christlichen Sphäre. Den prunkvollen und vielschichtigen Höhepunkt dieser Verknüpfung bildete die verschlüsselte Allegorie des Barock (Deckenmalerei) auf der Grundlage einer umfassenden Theorie der Allegorie, nach der (wie in der Praxis) jede Bildgattung, auch die Architektur, einen "sensus allegoricus" tragen konnte. Häufig trifft man auf polyvalente Bedeutungen mittels Anspielungen, Assoziationen (sog. Allegation, Allusion). Neben dem wörtlichen Sinn existierten für jene Zeit noch der eigentliche allegorische sowie sog. moralische und anagogische. Zugleich wurden thematische Angleichungen und Vertauschungen möglich. Vorstufen zu dieser nicht für alle Schichten verständlichen Verschlüsselung sind bereits im Mittelalter, vielleicht auch schon in der spätantiken Rhetorik zu suchen. Im Prinzip lassen sich im Barock apotheotisch - historische, heroisch - mythologische und dogmatisch - theologische Allegorien unterscheiden.

 

Auch die holländische realistische Malerei des 17.Jh. bezieht sich noch oft auf allegorische Zusammenhänge (Fünf Sinne, Vanitas u.a.). Mit der von der Frühklassik geforderten gedanklichen Tiefe (Winckelmann), dem Rationalismus der Aufklärung, der Entwicklung des Realismus und der Versachlichung des gesellschaftlichen Lebens im Kapitalismus wurde die Allegorie in ihrem bisherigen Sinne bedeutungsloser, gebräuchlich längere Zeit v.a. in der Volkskunst, bei Denkmalen und in der Architektur. Eine bedeutende Rolle spielte die politische Allegorie in den Klassenkämpfen der zwanziger Jahre, v.a. in der proletarischen Kunst, aber auch in der Kunst des antifaschistischen Widerstandskampfes (z.B. H. Grundig, O. Kokoschka)

 

Durch ihre weltanschauliche Gebundenheit vermittelt die Allegorie einen tiefen Einblick in die gesellschaftlichen Bestrebungen und Aufgaben der verschiedenen Epochen, Auftraggeber und Künstler, zu deren Erforschung mittels der Ikonologie es jedoch nicht genügt, bei der Erhellung literarischer Vorstellungen stehen zu bleiben.

 


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