ALLEGORIE


 

DER MENSCH ALS MORALISCHES WESEN: TUGEND UND LASTER

Die christliche Morallehre wurde in vielen Bildern dargestellt und verdichtet sich in den Moralvorstellungen der Kardinaltugenden und Kardinalsünden. Da diese Werte nicht ohne weiteres vergegenständlicht werden konnten, verschlüsselten sie die Künstler in allegorischen und symbolischen Darstellungen.

DIE TUGENDEN

Die drei theologischen Tugenden:
  • Glaube (fides)
  • Hoffnung (spes)
  • Liebe (caritas)
  • Glaube (fides): Kreuz, Kelch, brennendes Herz, brennende Kerze, Gesetzestafeln, Manna (Brot), Leuchter, Flamme, Krone, Tiara, Kirchenmodell auf dem Haupt, Sieb (Scheidung des Wahren vom Falschen), Buch oder Buchrolle (Bibel bzw. Glaubensbekenntnis), Schild (Glaubensfestigkeit, Dreieck oder Dreifuß (Dreifaltigkeitslehre als Hauptinhalt des Glaubens), Ring, Schlüssel, Hund (Treue), Blumen in den Händen
Jost Amman: Fides (aus dem Kunstbüchlein, 1599)
  • Hoffnung (spes): nach oben, auf die Hand Gottes oder eine dargereichte Krone blickend, Phönix, Biene oder Bienenkorb, Zweig, Kreuzfahne, Schiff oder Segel, Spaten und Sichel, Käfig mit Vogel (der auf Befreiung hofft), Pilgerstab, Anker, Kreuz der Auferstehung, Füllhorn, Kugel, Kompaß
Jost Amman: Spes (aus dem Kunstbüchlein, 1599)
  • Liebe (caritas): Kinder stillend an sich drückend, Lamm, flammendes Herz, Brote Schale, Geldbeutel, Pelikan, Löwin mit Jungen, Baum mit Vögeln, Ofen, strahlendes Christusmonogramm
     
     
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Francesco Salviati: Caritas (1554-58), Uffizien

Die vier Kardinaltugenden
  • Tapferkeit (fortitudo)
  • Gerechtigkeit (iustitia)
  • Klugheit (prudentia)
  • Mäßigkeit, Besonnenheit (temperantia)
  • Tapferkeit (fortitudo): Ritter bekleidet mit Ritterrüstung oder mit Löwenfell und Keule des Herkules; Schwert, Speer, Schild, Zepter, Siegesfahne, dazugeordnet: Löwe, Presse, Amboß, Säule im Arm
Jost Amman: Fortitudo (aus dem Kunstbüchlein, 1599)
  • Gerechtigkeit (iustitia): Waage, Schwert, Liktorenbündel, Adler, Winkelmaß, Krone, Gesetzbuch, abgeschlagenes Haupt im Schoß, Weltkugel, Palme, Phönix, Vogel Strauß, Kranich (oft mit Stein in der Kralle, Symbol der Wachsamkeit)
Jost Amman: Iustitia (aus dem Kunstbüchlein, 1599)
  • Klugheit (prudentia): Schlange, Spiegel, Sieb, Fackel, Kopf mit mehreren Gesichtern, Sarg, offener Sack, aus dem Geldstücke fallen
Jost Amman: Prudentia (aus dem Kunstbüchlein, 1599)
  • Mäßigkeit, Besonnenheit (temperantia): reitet oft auf einem Löwen, Kamel oder Elefanten oder wird dargestellt, wie sie Wein mit Wasser mischt. Attribute: Zügel im Mund, Sanduhr, Mischgefäß, Totenkopf, Brille, Windmühle, Zirkel, Schwert fest in der Scheide; ihre Symboltiere: Taube, Elefant, Lamm im Feuer, Fisch
Luca Giordano: Fresken in der Galerie des Palazzo Medici-Riccardi in Florenz, Szene: Temperantia, 1684-1686, Fresko, Florenz, Palazzo Medici-Riccardi

Weitere Tugenden
  • Geduld (patientia): Rind, das sich ein Joch auflegen läßt; Lamm, Papagei,
  • Sanftmut (mansuetudo): Lamm
  • Demut (humilitas): Taube, Kreuz, Jägernetz mit Sperling, zwei Leitern, Greif, Frau mit demütiger Gebärde
  • Gehorsam (oboedientia): Kamel
  • Beharrlichkeit (perseverantia): Krone, Hirsch, Phönix, brütende Henne auf dem Nest
  • Keuschheit (castitas): Palme, Phönix, Lilie, nistende Taube, Elefant, Einhorn, Manchmal schläft die Keuschheit auf einem Schwein
  • Eintracht (concordia): Ölzweig, zwei Tauben, betende Gestalt vor dem Kreuz Christi
  • Friede (pax): siehe Eintracht
  • Wissen (scientia):
  • Frömmigkeit (pietas):


DIE LASTER


Die sieben Todsünden

  • Hochmut (superbia): Anführerin aller Laster, reitet auf einem Löwen oder Pferd. Ihre Symbole: ein Mann, der kopfüber von einem Pferd oder einem Turm herabstürzt; gekrönte Frau mit Fledermausflügeln und Pokal und Zepter in den Händen, oft auf einem Löwen reitend; Kentaur, Adler, Pfau
  • Neid (invidia): Frau auf einem Hund reitend, der einen Knochen im Maul trägt, manchmal auch auf einem Drachen; Symbole: Schlange, Hund, Skorpion, Fledermaus. Im Barock oft auch Darstellung einer Frau mit entblößten Brüsten, die mit beiden Händen den eigenen Hals zuschnürt.
  • Völlerei (gula): reitet meist auf einem Schwein oder auf einem Fuchs mit Gans im Maul; Symbole: Bär, Wolf, Schwein, Falke, Rabe, gebratener Hahn. Sie ist oft trinkend oder sich erbrechend dargestellt
  • Geiz (avaratia): Mann oder Frau mit Geldsack (auf dem Herzen oder um den Hals) und Geldtruhe, reitend auf Kröte, Dachs, Maulwurf, Affe oder Wolf
  • Trägheit (acedia): reitet auf einem Esel; ein Mann, der schläft, während die Ochsen vom Pflug weglaufen; eine Frau, die mit dem Spinnrocken im Arm ruht; ein Vogel Strauß (mit Kopf im Sand)
  • Zorn (ira): auf einem Wildschwein oder Bären reitend; ein Mann, der sich mit dem Degen durchsticht oder sein Kleider zerreißt; eine Frau, die einem Diener einen Fußtritt gibt; eine Frau, die gegen ihren Mann das Schwert zückt; Mann und Frau, die sich gegenseitig Schwerter in den Leib stoßen. Attribute: Hund, Eule, Igel, Fackel. Typus: der Riese Goliath
  • Wollust (luxuria): meist auf einem Schwein oder Bock reitend, Spiegel und Zepter in der Hand; Schlange an Brust oder Geschlechtsteilen einer nackten Frau; nackte Frau mit Schlangen und Würmern auf dem Rücken; Sirene, ihre Fischschwänze in den Händen haltend; Kuß zwischen Mann und Frau; weitere häufige Attribute: Bock, Schwein, Affe

Weitere Laster

  • Unglaube (infidelitas, idolatria): Mann und Frau vor Götzenbild oder ein Idol tragend; Frau mit verbundenen Augen
  • Verzweiflung (desperatio): Mensch, der sich ersticht oder erhängt
  • Torheit (stultitia): halbnackter Narr schwingt eine Keule, beißt auf einen Stein oder wird mit Steinen beworfen, Mann in Phantasiekleidung mit Federkrone
  • Feigheit (ignavia): bewaffneter Mann flieht vor einem Hasen; fliehender Soldat wirft seine Waffen fort; Typus der Schwäche: Simson im Schoß Delilas
  • Ungerechtigkeit (iniustitia): Gewichtsfälscher, Krieger mit Lanze und Schwert; Mordszene
  • Unbeständigkeit (inconstantia): auf einem Esel reitend; Mönch, der aus dem Kloster flieht; Frau auf einem Rad balancierend; Attribute: Vogel Strauß, Affe, Krebs
  • Trotz (contumacia): Mann zieht das Schwert gegen einen Mönch
  • Zwietracht (discordia): zwei streitende oder raufende Menschen, oft als Ehepaar

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