EMBLEMATIK

 

Emblematik (griech. "das An- oder Eingesetzte", "Einlegearbeit", allgemein Zierat), allegorisierende, durch eine sinnverhüllende und zugleich ausdeutende Kombination von Bild und Wort charakterisierte, intellektualistische Kunstübung, deren Schöpfungen meist in Buchform veröffentlicht worden sind. Die Emblematik wurde von den Humanisten der italienischen Hochrenaissance ausgebildet, wobei diese Anregungen aus der spätmittelalterlichen Allegorik und der Frührenaissance aufnahmen. Die mit der Veröffentlichung der griechischen Anthologie durch J. Laskaris (Anthologia epigrammatum Graecorum, Florenz 1494, nach der Zusammenstellung des Paludes, 14. Jh.) erweiterte Kenntnis der griechischen Epigrammatiker vermittelte der Emblematik ebenso wie die mittelalterliche religiöse Exempel- und Heilsspiegelliteratur, die moralisierend-didaktische Literatur (Ritter von Thurn, Canzone delle virtú e delle scienze, Fiori di virtú), die spätritterlich-höfische französische und burgundische Devisensymbolik und die Hieroglyphik sehr vielgestaltige literarische und Bildthemen. Die Hieroglyphik war eine auf die hellenistische Zeit zurückgehende, von der altägyptischen Bilderschrift mißverstanden abgeleitete Geheimlehre, die sich der sog. änigmatischen Hieroglyphen als Symbolzeichen bediente. Sie wurde durch eine 1419 nach Italien gekommene Handschrift, die Hieroglyphica des Horapollo (2.Jh. v.Chr.), bekannt und durch ihre literarisch-künstlerische Anwendung in der "Hypnerotomachia Poliphili" des F. Colonna (1467, gedruckt Venedig, 1499) allgemein verbreitet. Weitere Motive entnahm man der belehrenden, v. a. naturkundlichen Literatur, z.B. dem griechischen Physiologus, einem zoologischen Traktat mit christlicher Tiersymbolik.

 

Die erste zusammenfassende Darstellung der Emblematik sind die 1521 auf Anregung des Ambrosio Visconti in Mailand begonnenen, durch Vermittlung des deutschen Humanisten Konrad Peutinger 1531 in Augsburg erschienenen "Emblemata" des Andrea Aiciati mit Zeichnungen von J. Breu d.Ä. Dieses Buch, das 104 Embleme enthielt, wurde bis 1781 in etwa 125 Ausgaben verbreitet (u.a. Paris 1534, mit Holzschnitten von M. Jollat nach Zeichnungen eines deutschen Holbein-Schülers; Frankfurt a.M.1567,mit Holzschnitten von J. Amman und Virgil Solis; auch in französischen und deutschen Übersetzungen, die erste von W. Hunger: Das Buechle der verschroten Werck, Paris 1542). Es ist das klassische Muster der Emblematik geworden.

 

In ihrer strengen Form enthalten die Embleme drei Elemente:

1. das Lemma (Motto) in Gestalt eines knappen lateinischen oder griechischen Wahlspruchs, der eine ethische Wahrheit ausdrückt,

2. die Icon, den allegorisierenden Bildbestandteil; beide werden zu einem Rätsel vereinigt, dessen Auflösung durch das

3. Element, das Epigramm ermöglicht wird, wobei wiederum die allgemeingültige Moral kunstvoll verschleiert ist.

 

Die Emblematik entsprach der für die Renaissance charakteristischen Vorstellung von der Einheit von Kunst und Wissenschaft. Gelehrte und Dichter bemühten sich um die Theorie der Emblematik.  Im 16. / 17.Jh. entstand daraus eine ausgebreitete, z.T. polemische Literatur. In diesem Zeitraum wurde die höfische Emblematik z.T. durch die bürgerliche, moralisierende und didaktische abgelöst, nicht zuletzt unter den Folgewirkungen der Reformation und Gegenreformation (von Melanchthon ausgehende Anregungen; Ausbildung einer Jesuiten- Emblematik, z.B. H.Hugo: Pia Desideria, 1624). Aiciati hatte sein Werk als Musterbuch für Kunsthandwerker empfohlen. Dies entsprach der Geschmacksrichtung vornehmlich des Adels und der Großbourgeoisie im Frühabsolutismus. Die Emblematik erhielt damit einen Anwendungszweck, der sie zur Mode werden ließ. Gewebe, Tapeten, Möbel, Öfen, Geschirr und Trinkgefäße wurden mit emblematischen Darstellungen verziert, und in Deckenmalereien und Stuckdekorationen wurden ebenfalls solche aufgenommen.

 

Eine heraldische Anwendung sind die Impresen, die von Adligen als persönliche Abzeichen bei Kriegs- und Liebesabenteuern getragen und mit denen die dabei erstrebten Ziele durch Allegorien und Devisen verhüllt angedeutet wurden. Begründer einer Impresenliteratur war der Historiker P. Giovio (Dialogo dell'imprese militari et amorose, 1554), wie überhaupt die Italiener auf diesem Gebiet führend blieben.

 

Im Buchwesen fand die Emblematik auf den Titelblättern, in Druckermarken (so bereits der Anker mit Delphin des Aldus Manutius ab 1502), Verlagssigneten, Autorenimpresen, Dedikationen, Besitzvermerken und Exlibris ein beliebtes Anwendungsgebiet. In Deutschland wurde die Emblematik in den Stammbüchern kultiviert (mit weißen Blättern durchschossene Emblematik-Bücher als Alba amicorum). Bei Familienfesten, Liebes- und Freundschaftsbezeigungen, privaten und öffentlichen Tagesereignissen wurde auf die Emblematik zurückgegriffen.

 

Eine politische Emblematik (Verherrlichung von Siegen oder der Landesfürsten; bürgerliche Opposition gegen den absolutistischen Staat) findet sich häufig im 18. und noch im 19.Jh., in England bereits in den revolutionären Zeiten des 17. Jh. (G.Wither: A Collection ofemblemes ancient and modern, 1635, puritanisch-parlamentarisch; F. Quarles: Emblemes, 1635; Hieroglyphikes of the life of man, 1638; anglikanisch-royalistisch). In den Niederlanden, in denen sich der Verlag Flamin zu einer der wichtigsten Pflegestätten der Emblematik-Literatur entwickelte, bildete sich bes. die erotische Emblematik (Herzenssymbolik) heraus, daneben eine volkstümliche Emblematik, die sog. Sinnepoppen.

 

Die Blütezeit der Emblematik wird auf 1530-1650 angesetzt. Bedeutende Künstler waren an ihr beteiligt: außer den genannten Aiciati-Illustratoren A. Mantegna, H. Bosch, Leonardo, Dürer (Zeichnungen zum Gebetbuch Kaiser Maximilians), Raffael, O. van Veen, H. Goltzius, Annibale Caracci, Rubens, Callot, St. della Bella; wie umgekehrt das Bildschaffen von der Emblematik angeregt wurde (Rubens, Geißblattlaube). Die Emblematik - Bücher waren eine charakteristische Entwicklungsstufe der Buch-(Kupferstich-)Illustration. Die ältere emblematische Form wurde im 17. Jh. aufgelöst. Bereits bei L. van Haecht Goidtsenhouen (Mikrokosmos, 1579) war an die Stelle des Lemmas die Überschrift und ein Bibelzitat getreten, die Icone aber durch szenische Darstellungen von Historien und Fabeln ersetzt worden. In anderen Emblematik - Büchern schon des frühen 17.Jh. überwog das Bild, z.B. bei A. Friedrich: Emblemata nova, das ist New Bilderbuch, 1617. Im 18. / 19.Jh. klang diese Entwicklung mit einer allmählichen Auflösung im allegorisierenden Genrebild und im Bildgedicht oder in Sonderbildungen wie der Freimaurersymbolik oder der politisch-gesellschaftlichen Allegorie aus.

 


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