SYMBOLIK DER FARBEN, FORMEN UND ZAHLEN 

 

aus: Lexikon der Kunst, Seemann Verlag Leipzig, 1977

 

Symbolik der Farben, Formen, Zahlen, gehört zu den wichtigsten und zugleich vielschichtigsten Symbol-Bereichen (einschließlich Bausymbolik). Ihre Anfänge reichen bis in die Frühphasen der menschlichen Gesellschaft zurück, zuerst als naive und phantastische Versuche der Aneignung der Wirklichkeit.

 

Symbolik der Farben: Jede Farbe wirkt auf Grund der ihr eigenen Ausdruckskraft unmittelbar auf den Menschen (Farbwirkung), sie erinnert an etwas, löst Vorstellungen aus. Die Farbwirkung oder das assoziative Moment, häufig auch beide gleichzeitig, führen dazu, den Farben symbolische Bedeutung beizumessen. Obgleich zeitlich verschieden und bei den einzelnen Völkern unterschiedlich, findet sich doch manche Übereinstimmung in der Farbensymbolik. Die schon in der Antike erfolgten Zuordnungen der Farben zu den 4 Temperamenten (Rot - sanguinisch, Gelb -cholerisch, Weiß - phlegmatisch. Schwarz - melancholisch) haben sich, z. T. in modifizierter Form, bis heute erhalten (einschließlich der praktisch - nützlichen Seite: physiotherapeutische Wirkung von Farben). Im Volksmund spielt Farbensymbolik eine große Rolle. So werden die einzelnen Farben, freilich nicht ohne Abweichungen, mit folgenden Bedeutungsgehalten belegt:

  • Rot - Feuer, Blut, Leidenschaft, Revolution;

  • Gelb - Sonne, Glanz;

  • Gelbgrün -Neid, Hass, Eifersucht;

  • Grün - Natur, Wachstum, Unreifes, Hoffnung, Ruhe;

  • Blau - Treue, Ferne, Unergründlichkeit, Keuschheit;

  • Violett - Trauer, Würde, Entsagung;

  • Weiß - Unschuld, Reinheit, Kälte;

  • Schwarz -Nacht, Tod, Trauer, Böses;

  • Grau - Alter, Unterordnung, Trübsinn, Pessimismus;

  • Gold - Sonne, Reichtum, Freude.

Viel zu wenig wird im allgemeinen beachtet, dass die symbolische Bedeutung der Farben auch beeinflusst wird von verschiedenen anderen Faktoren (z. B. Farbbeschränkung), so von der spezifischen Qualität einer Farbe (Farbton, Helligkeit, Reinheit, Intensität), von der Ausdehnung des Farbflecks, auch von der Bedeutung des Gegenstandes, der die Farbe trägt (Polychromie). Daraus erklärt sich mitunter ihre Mehrdeutigkeit (z. B. Weiß als Trauerfarbe in 0st - Asien). Die Farbensymbolik hat sich auch in der Dichtung niedergeschlagen. Im Mittelalter bildete sich eine auf den Minnegesang bezogene Farbensprache heraus. Auch in der bildenden Kunst spielt die Farbensymbolik eine gewisse Rolle, jedoch sind besonders in der realistischen Malerei ihre Anwendungsmöglichkeiten beschränkt. Die Verwendung von Gold und reinen, ungetrübten Farben ist nicht immer Ausdruck eines undifferenzierten Farburteils oder Folge dekorativer Erwägungen, sondern erklärt sich häufig aus der Berücksichtigung des Symbolwertes der Farben. Dies trifft besonders für mittelalterliche Bildwerke zu, in denen mit einer gewissen Regelmäßigkeit bestimmte Personen Symbolfarben tragen (Maria, Christus und Johannes mit roten und blauen, Petrus mit blauen und weißen, Paulus mit roten und grünen, Judas und die Juden mit gelben Gewändern). Aber auch in der neueren Malerei spielt die Farbensymbolik eine gewisse Rolle. So haben z. B. in den Bildern Vincent van Goghs einzelne Farben im Sinne der Farbensymbolik eine Steigerung erfahren; und H. Grundig verwendete gelegentlich Gold u. a. Farben in einer realistischen Malerei symbolisch. Hier wie überhaupt bei der Farbensymbolik geht es nicht um die Veranschaulichung abstrakter Begriffe - wie z. B. in einer Allegorie -, sondern um das Sichtbarmachen eines tiefen Sinnzusammenhangs, eines bedeutsamen Empfindens und Inhalts.

 

Die Hinweise des AT und NT, besonders die Nennung von Purpur, Weiß, Gold und Blau (Weiß besonders als Farbe Gottes und der Engel, die Regenbogenfarben, die auf eine Gotteserscheinung hinweisen) haben für die Symbolik der Farben in der christlichen Ikonographie Grundlagen gelegt. Die die biblischen Bücher kommentierende patristische Literatur richtet ihr Augenmerk v. a. auf die Farbensymbolik der Edelsteine (Höhepunkt bei Hrabanus Maurus, gest. 856, besonders für die Kaiserkrone), der Regenbogenfarben, und der Farben Weiß und Gold. Nachhaltig wirkt die Anlehnung an die antike Tradition mit ihrem Sinn für aufwendige Farbwerte. Entsprechend der Verschmelzung von Kaiser- und Christusbild geht die kaiserliche Farbe des Purpur auf Christus, nach 431 auch auf Maria, Anna und die Ecclesia über. Weiß bleibt die Gewandfarbe der Heiligen. Blau und Rot, die den Purpur in nachantiker Zeit zurückdrängen bzw. ablösen, besitzen neben Weiß und Gold in der frühchristlichen und byzantinischen Kunst besondere Bedeutung (Ravenna, Mosaiken). Bereits die frühchristliche Kunst kennt die Charakterisierung von Gut (rot) und Böse (blau) bei Engeln. Bei der Wiedergabe der paradiesischen Landschaft und ihrer Lebewesen findet sich ein Gelb-Grün-Rot-Akkord (Ravenna, San Vitale, Chormosaiken, vor 547). Farbensymbolik klingt oft mit Blumensymbolik zusammen. Die byzantinische Kunst verfügt über eine differenzierte Symbolik der Farben. Neben dem Purpur für den Kaiser und seine Familie (besonders Miniaturmalerei) dienen Schwarz, Purpur, Rot und Dunkelbraun als Ausdruck der Trauer sowie Purpurviolett, Braun- und Rottöne und Gelb als Ausdruck der Askese. Die mittelalterliche Kunst des Westens übernimmt Rot und Blau in der Nachfolge des Purpur als Farben der Gewänder Christi und Mariens. Insgesamt erhalten vom 8. Jh. an "Wirklichkeitsfarben" zunehmend symbolische Funktion. Rot als Gewandfarbe dominiert stärker in der karolingische als in der ottonischen Malerei und findet sich v. a. bei Evangelisten. Gold erscheint als Gelb und Orange sowie Silber bei Gewändern, bestimmten Attributen und als Farbe der Schrift (Purpurcodices). Die Majestasdarstellungen knüpfen an die antike Regenbogenfarbigkeit an. Blau-Rot-Grün-Gelb ist die häufige Farbkombination für die Mandorla, die die Sphären andeuten. Entsprechend werden bestimmten Engeln bestimmte Farben zugewiesen (Blau für Cherubin, Rot für Seraphim). Blau ist die Farbe für Luft und Wasser, Schwarz die Erdfarbe, ebenso Grün. Gold, Gelb und Rot symbolisieren Feuer und Leben, Blau-Rot die Verwandlung. Als Hintergrundsfarben erscheinen anstelle von Blau und Gold etwa in der Reichenauer Buchmalerei rosagetönte Gründe. Einen Einschnitt bedeutete die Malerei Giottos für die Symbolik der Farben, die seither nicht mehr als umfassende Konvention gelten kann und immer stärker realitätsbezogene und subjektive Züge annimmt. Die Farbensymbolik im Spätmittelalter orientiert sich v. a. an der früh- und hochmittelalterlichen Tradition. Gewisse Neuerungen brachte die Malerei des Barock, die Christus z. T. ein weißes Gewand gibt und die Purpurfarbe durch Altrosa-Hellviolett ersetzt. Blau und Rot bewahren sich als traditionell marianische Farben.

 

Erst in der religiösen Bildkunst des 20. Jh. und über sie hinaus gewann die Farbsymbolik unter dem Einfluss des Expressionismus wieder an Bedeutung (E. Nolde, M. Chagall, G. Rouault).

 

Zu einer gleichbleibenden symbolischen Verwendung der Farben und zur Ausbildung eines Kanons kam es in den Liturgischen Farben. Die Farbensymbolik hat sich auch in den sog. Standesfarben ausgewirkt, die für Fürsten Weiß, für Bauern Grau und Schwarz, für Krieger Rot usw. vorsahen. Sie spielt eine wichtige Rolle auch in den heraldische Farben (Heraldik). Die Farbe ist neben den Bildzeichen ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Wappen, sie wird nach bestimmten Grundsätzen, die sich historisch entwickelt haben, verwandt. So erfolgt z. B. im wesentlichen eine Beschränkung auf Gelb, Rot, Blau, Grün, Weiß und Schwarz sowie Silber und Gold. Reine, leuchtende Farben und starke Kontrastwirkungen werden angestrebt, um eine entschiedene und weit sichtbare Wirkung zu erzielen, z. B. auch für Nationalfahnen

 

Die Formensymbolik ist Teil der Sachsymbolik, sie bezieht sich v. a. auf geometrische Figuren, die einfache Veranschaulichungsformen für Sachverhalte, Zahlen u. ä. sind, daher oft im Zusammenhang mit der Zahlensymbolik stehen. Unter verschiedenen Aspekten sind daher in unterschiedlichsten Weltkulten, besonders in der Christlichen. Religion, basierend auf mittelmeerische Traditionen, Symbolformen im Gebrauch gewesen. Zu den häufigeren gehören: Dreieck (Dreifaltigkeit), Kreuz, Kreis (Rad), Viereck (wie die Vierzahl für Welt, Erde, irdisches Leben), Stern-Formen, Kugel, Spirale, Oval.

 

Über die christliche Bildkunst hinaus haben Formsymbole auch in anderen Bereichen gewirkt (z. B. Revolutionsarchitektur), v. a. als Baumsymbolik (Kreuz-Grundriß der christlichen Basilika).

 

Zahlensymbolik. Die Zahlensymbolik reicht gleichfalls bis in die frühen Entwicklungsphasen der Menschheit zurück und entwickelte sich zusammen mit der Fähigkeit zur Abstraktion und der Herausbildung der menschlichen Sprache. Auf der Grundlage der Beobachtung von Natur und allen Erscheinungsformen des Lebens dienten die Zahlen dazu, der kosmischen Ordnung und Beziehung Ausdruck zu geben. Grundlegend waren dabei das kosmologische und astrologische System des Alten Orients, das auch Eingang in das AT gefunden hat, und die von der griechischen Philosophie ausgebaute Zahlenmystik (Pythagoras, Plato, neupythagoräische Schule Alexandriens). Die patristische Literatur nahm die antike Tradition auf und führte sie fort. Augustinus fasste die verschiedenen Aussagen zusammen und systematisierte sie. Eine hochmittelalterliche Interpretation schuf Hugo v. St. Victor (gest. um 1141) in den Prenotationes cludidatoriae de scriptoris et scriptoribus sacris. Die Zahl als mystische Größe spielt v. a. für die Schöpfungs- und Heilsordnung eine besonders wichtige Rolle. Als Verkörperung der Zahlenordnung dienten auch geometrische Figuren und Buchstaben als Träger bestimmter Zahlenwerte. In der Kunst übernehmen die Zahlen eine auf Kosmos und Heilsordnung bezogene symbolische Funktion. Besonders zentral sind dabei die Drei, Vier, Sieben, Acht und Zwölf.

 

Seit dem Altertum, im hinduistischen oder christlischen Bereich ist die Dreizahl v. a. Ausdruck der Vollkommenheit. Sie tritt häufig im AT auf (3 Jünglinge im Feuerofen, 3 Söhne Noahs, Besuch der 3 Engel bei Abraham); im NT:Heilige 3 Könige, Auferstehung am 3. Tage. Durch die patristische Literatur verbindet sich die Dreizahl mit der Dreifaltigkeit, den theologischen Tugenden und den Lebensaltern. In die Dreiheit Himmel - Hölle - Fegfeuer fließen ebenso wie bei der Vierzahl (Elemente), der Siebenzahl (Planeten) pythagoräische Spekulationen ein. Die Vier als Weltzahl entstammt der babylonischen und alttestamentlichen Kosmologie (Paradiesflüsse, Wesen Ezechiels) und wird durch die Spekulation der patristischen Literatur besonders aufgewertet als Symbolzahl. Als geometrische Bildfigur (Quadrat, Viereck, Rhombus, 4 Richtungen des Kreuzes) sowie in der Vierzahl der Säulen und Turmgeschosse, erlangt sie ebenfalls Bedeutung. Sie verbindet sich mit der Majestas Domini, den Evangelistensymbolen,  Kirchenvätern, Kardinaltugenden sowie den Erdteilen, Jahres- und Tageszeiten, Himmelsrichtungen und Weltaltern, die letzteren bis in die Gegenwart anschaulich motiviert. Aus der Kombination von Drei (Gott) und Vier (Welt) entsteht die kosmische Siebenzahl, die von der Religionsgeschichte her besonders symbolbeladen ist. Sie erscheint bereits in der alt-orientalisch-semitischen Welt als kosmisch-astronomische Ordnungszahl und dementsprechend in der Bibel, wo sie in Verbindung mit der Schöpfung zur Bezeichnung des geschlossenen und vollkommenen Ganzen dient (Vollendung der Schöpfung am 7. Tag, Jericho fällt 7mal usw.); ebenfalls im NT sehr ausgeprägt (Stammbaum Jesu, Seligpreisungen, Vaterunserbitten, Gleichnisse, Wunder: u. a. 7 Körbe bei der Brotvermehrung), außerdem als Ordnungszahl der Apokalypse. Aus antiken Wurzeln übernimmt die mittelalterliche Ikonographie die Lebensalter, Planeten, Weltwunder und Weisen. Bildlichen Niederschlag findet die Siebenzahl in der Illustration des AT (Sechstagewerk; Pharaos Traum von den 7 Kühen) bei der Apokalypse (7 Lampen, Siegel, Hörner, Augen, Tubaengel, siebenköpfiger Drache, Schalen des Zorns). Weitere Motive Siebenarmiger Leuchter, 7 Gaben des Hl. Geistes, Sieben Freuden und Schmerzen Maria, Tugenden und Laster. Antiker Tradition folgend: Lebensalter, Künste, sieben freie. Bei den Heiligenspielen die Siebenschläfer eine besonders Rolle im volkstümlichen Aberglauben (Amulett). Die altorientalisch - antike Bedeutung der Achtzahl ist v. a. Turm der Winde (Athen, 8 Himmelsrichtungen), gleichfalls in achtnischigen Herrschermausoleen (Thessaloniki, Galeriusrotunde), achtnischigen Thronsälen oder Stützensystem bei Herrscherkirchen (Thessaloniki, die zur Georgskirche umgebaute Galeriusrotunde; Aachen, Pfalzkapelle), bei Marienkirchen, Martyrien, Baptisterien (auch der Taufbrunnen selbst), bei Vierungstürmen, Kronen und Lichtkronen und Idealstadtentwürfen seit dem 15. Jh. Der 3/8 Chorschluß gotischer Kirchen wird auf die Dreizahl und durch die Achtzahl auf die Auferstehung und die Vollendung des Kosmos bezogen, ähnliche wie bei Symbolik des Taufbrunnens. Die Zwölfzahl gilt gleichermaßen für die griechisch - jüdische und christliche Überlieferung als heilige Zahl (12 Arbeiten des Herkules, 12 Stämme Israels, 12 Patriarchen, 12 Söhne Jakobs, 12 Apostel); In der frühchristliche Monumentalkunst vertreten 12 Schafe die Apostel. Der Osten bildete einen Zyklus von 12 Hauptkirchenfesten heraus. Wichtig für die christliche Symbolik ist die Multiplikation der Dreizahl (Gottheit) mit der Vierzahl (Welt) als Ausdruck des vollendeten Gottesreichs. Auf den astronomischen Ursprung deuten die 12 Zeichen des f Tierkreises, 12 Monatsbilder, der 12 Stundenrhythmus von Tag und Nacht hin.

 


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