I QUATTRO LIBRI DELL'ARCHITETTURA

Von den Treppen, ihren verschiedenen Arten, ihrer Anzahl und Größe

Abbildungen

 

BEI DER Einfügung der Treppen in ein Gebäude muß man mit großer Achtsamkeit vorgehen, bereitet es doch keine geringen Schwierigkeiten, die Stelle zu finden, an der eine Treppe ihre Funktion erfüllt und an der sie die Aufgaben der übrigen Gebäudeteile nicht beeinträchtigt. Deshalb weise man ihr einen eigenen Gebäudeteil als Standort zu, damit sie die anderen Gebäudeteile nicht verstellt und auch von diesen nicht verstellt werden kann.

Bei den Treppen sind drei Arten von Wandöffnungen erforderlich. Die erste ist jene Tür, durch die man tritt, um die Treppe emporzusteigen. Sie ist um so mehr zu loben, je weniger sie dem Eintretenden verbirgt. Und es gefällt mir sehr, wenn die Tür so angelegt wird, daß man den schönsten Teil des Gebäudes schon gesehen hat, bevor man durch sie hindurch geht. Wird doch in diesem Fall ein noch so kleines Haus großartig aussehen. Aber trotzdem wird eine solche Tür vor aller Augen darliegen und leicht zu finden sein. Die zweite Art der Wandöffnungen sind die Fenster, die notwendigerweise die Stufen beleuchten müssen. Sie sollten in der Mitte liegen und hoch sein, damit das Licht sich überall gleichmäßig verteilt. Die dritte Art der Öffnungen ist jene, durch die man das obere Stockwerk betritt. Sie sollte in weite, schöne und geschmückte Räume führen.

Jene Treppen sind zu loben, die so hell, weit und bequem für den Benutzer sind, daß sie die Leute gewissermaßen zum Hinaufsteigen einladen. Sie werden hell sein, wenn sie natürliches Licht haben und dieses sich, wie ich schon gesagt habe, gleichmäßig überallhin verteilt. Sie werden geräumig sein, wenn sie, der Größe und Eigenart des Gebäudes entsprechend, nicht zu schmal und eng zu sein scheinen. Sie sollten aber nie weniger als vier Fuß breit sein, damit zwei Personen genug Platz haben, wenn sie sich begegnen. Die Treppen werden schließlich auch für das ganze Gebäude zweckdienlich sein, wenn die Bögen unter den Treppen einige nützliche Dinge aufnehmen können und wenn sie, was die Benutzer betrifft, keinen zu schweren und steilen Anstieg haben. Die Länge der Treppen sollte darum das Doppelte ihrer Höhe betragen. Die Treppenstufen darf man nicht höher als sechs Zoll eines Fußes machen. Und sind sie noch niedriger, vor allem bei sich lang erstreckenden Treppen, so wird es noch leichter fallen, auf ihnen zu gehen; ermüdet man doch dann beim Treppensteigen weniger. Aber man macht sie nie weniger als vier Zoll hoch. Die Stufenbreite sollte nicht weniger als einen und nicht mehr als eineinhalb Fuß betragen.

Die Alten achteten immer auf eine ungerade Anzahl der Stufen, damit, wenn man beim Hinaufsteigen mit dem rechten Fuß beginnt, man mit demselben Fuß oben ankommt; was sie für ein gutes Zeichen und, beim Betreten eines Tempels, für einen noch größeren Ausdruck ihres Glaubens hielten. Gleichwohl sollten die Stufen die Zahl elf und vor allem dreizehn nicht überschreiten. Wenn man gezwungen ist, die Treppe noch höher zu führen, dann sollte man ein ebenes Podest anlegen, das man auch Ruheplatz nennt, da hier die schwachen und müden Menschen Ruhe finden, und ein Gegenstand, der von weiter oben die Treppe hinunterfällt, hier aufgehalten wird. Die Treppenform ist entweder eine gerade oder eine schneckenförmige. Die geraden Treppen macht man entweder ausgestreckt in zwei Arme oder quadratisch. Letzteres in der Weise, daß die Treppen in vier Armen um ein Quadrat herum laufen. Dazu teilt man den für die Treppen vorgesehenen Platz in vier Teile. Zwei gibt man den Stufen, zwei dem leeren Raum in der Mitte, von dem die Treppen ihr Licht erhalten, wenn man ihn unbedeckt läßt. Man kann den Mittelteil der Treppen auch aufmauern. Dann schließt man bei den zwei Teilen, die man den Stufen gibt, auch die seitlichen Innenmauern. Man kann dies aber auch ohne Mauern machen und es unterlassen.

Der selige ehrwürdige Luigi Cornaro, ein edler Herr mit ausgezeichnetem Kunstverstand, wie man an der sehr schönen Loggia und den so hervorragend geschmückten Zimmern seines eigenen Wohnhauses in Padua erkennt, hat folgende zwei Treppenarten erfunden. Die schneckenförmigen Treppen, auch Wendeltreppen genannt, macht man zuweilen kreisrund und zuweilen oval, manchmal mit einer Spindel in der Mitte und manchmal ohne. Sie werden vor allem in engen räumlichen Situationen benötigt, da sie weniger Platz beanspruchen als die geraden Treppen. Man steigt auf ihnen jedoch etwas beschwerlicher empor. Jene Wendeltreppen sehen gut aus, die in der Mitte eine offene Spindel haben, da sie von oben Licht erhalten können. Und jene Personen, die oben an der Treppe stehen, sehen alle, die die Treppe hinaufsteigen oder dies gerade tun wollen. In gleicher Weise werden die gesehen, die oben stehen. Die Treppen mit Spindel werden so gemacht, daß man den Durchmesser in drei Teile teilt. Zwei davon gibt man den Stufen, einen der Spindel, wie auf der Zeichnung A zu sehen ist. Oder aber man teilt den Durchmesser in sieben Teile, gibt drei davon der Spindel, vier den Stufen. In dieser Weise wurde die Treppe in der Trajanssäule angelegt. Wenn man die Stufen krümmt, wie in der Zeichnung B, werden sie sehr schön aussehen und länger ausfallen, als wenn man sie gerade macht. Bei den Treppen ohne Spindel aber teilt man den Durchmesser in vier Teile; zwei erhalten die Stufen, zwei bleiben für den Raum in der Mitte.

Neben diesen Treppenarten hat der verehrte Marc' Antonio Barbaro, ein edler Mann aus dem Veneto von vorzüglicher Begabung, noch eine andere schneckenförmige Treppe erfunden, die ihre Dienste bei äußerst engen Verhältnissen sehr gut erfüllt. Sie hat keine Spindel, und ihre Stufen sind sehr lang, weil gekrümmt. Eingeteilt wird sie wie oben erwähnt. Die ovalen Treppen teilt man in gleicher Weise wie die runden. Sie sind sehr fein und schön anzusehen, kommen doch alle Fenster und Türen an die Spitze des Ovals und in die Mitte. Sie sind daher sehr zweckmäßig. Ich habe eine solche Treppe ohne Spindel in dem Kloster della Carità in Venedig benutzt, die sehr bewundert wird.

A, Schneckenförmige Treppe mit Spindel
B, Schneckenförmige Treppe mit Spindel und gekrümmtenStufen
C, Treppe ohne Spindel
D, Treppe ohne Spindel mit gekrümmten Stufen
E, Ovale Treppe mit Spindel
F, Ovale Treppe ohne Spindel
G, Gerade Treppe mit gemauerten Wangen in der Mitte
H, Gerade Treppe mit offenem Schacht

Eine andere schöne Art von Wendeltreppen wurde bereits von dem edlen König Franz in dem. französischen Chambord gebaut, einem Schloß, das er in einem Wald errichten ließ. Dies geschah auf folgende Weise: Es handelt sich um vier Treppen mit vier Eingängen, je ein Eingang gehört zu einer Treppe. Je eine Treppe führt über und parallel zu einer anderen hinauf, und dies in der Art, daß die Treppen jeweils, wenn man sie in die Mitte des Gebäudes setzt, vier separaten Raumfolgen dienen, ohne daß die Personen, die in einer Wohnung wohnen, über die Treppe der anderen Wohnung gehen müssen. Da diese Treppe eine offene Spindel hat, kann man alle Benutzer hinauf- und hinuntergehen sehen, und dies ohne die geringste Sichtbehinderung. Weil dies eine sehr schöne und neue Erfindung ist, habe ich sie hierher gesetzt und die Treppe in Grund- und Aufriß mit Buchstaben gekennzeichnet, damit man sieht, wo sie beginnt und wie man hinaufsteigt. Drei Wendeltreppen von einer sehr bemerkenswerten Erfindung gibt es auch in dem Portikus Pompeji, durch den man in Rom die Piazza Giudea betritt. Da die Treppen in der Mitte des Gebäudes liegen, wo sie Licht nur von oben erhalten, baute man sie auf Säulen, damit sie von allen Seiten gleichmäßig beleuchtet sind. Von dieser Art hat auch der in seiner Zeit einzigartige Architekt Bramante eine Treppe im Belvedere errichtet, und zwar ohne Stufen und aus vier Säulenordnungen, also der Dorika, lonika, Korinthia und Komposita. Bei solchen Treppen teile man den ganzen Raum in vier Teile, gebe zwei davon dem offenen Schacht in der Mitte und je einen den Stufen und den Säulen.

Bei den alten Gebäuden sieht man noch viele andere Treppenformen. Etwa dreieckige, die zum Beispiel in Rom jene Treppen bilden, die zur Kuppel der S. Maria Rotonda führen. Sie sind in der Mitte hohl und empfangen ihr Licht von oben. Prächtig waren gleichfalls jene Treppen, die man in S. Apostoli in der gleichen Stadt findet und die zum Monte Cavallo hinaufsteigen. Es waren doppelte Wendeltreppen, die vielfach als Beispiele gedient haben und die zu einem Tempel auf der Spitze des Berges führten, wie ich in meinem Buch über die Tempel zeigen werde. Von dieser Art sind auch die Treppen der letzten Zeichnung.