Das kulinarische Beiwerk

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Begleitende, stützende Zutaten spielen in der Chinesischen Küche eine weitaus größere Rolle als in der westlichen, weil wir in Struktur und Wesen Unterschiedliches miteinander mischen.

 

Wie bereits gesagt, ist das Verhältnis der verschiedenen Zutaten so ausgewogen, daß man zum Schluß kaum mehr entscheiden kann, was Hauptzutat und was Beiwerk ist.

 

In der Regel bestimmt die Hauptzutat den Charakter des Gerichts, und alles andere, was dann hinzugefügt wird, um Aromen, Farbe oder Textur in ein ausgewogenes oder kontrastreiches Verhältnis zueinander zu bringen, gilt als Beiwerk. Haifischflossen zum Beispiel werden stets nur in ganz kleinen Mengen verarbeitet, aber weil sie die Eigenart des Gerichts ausmachen, gelten sie als Hauptzutat.

 

Theoretisch könnte alles, was nur kleingeschnitten oder feingehackt wurde, miteinander vermischt werden; aber das stimmt nicht ganz. Immerhin besteht die Möglichkeit, eine Vielzahl von Zutaten zu vermischen, und wenn man bedenkt, daß viele durch entsprechende Vorbereitung noch besondere Eigenschaften gewinnen, so ergibt sich eine schier endlose Liste chinesischer Gerichte.

 

Was kann man nun womit kombinieren? Bei dieser Überlegung kommt es nicht nur auf den Geschmack der

Zutaten an, sondern auch auf ihre Form, Größe, Textur und Garzeit.

 

Nehmen wir zum Beispiel Schweinefleisch, das besonders vielseitig ist. Will man daraus das Rotgekochte Schmorgericht machen öderes langsam dämpfen oder auf milder Hitze weich köcheln, dann kann man es mit Möhren, Rübchen, Chinakohl, getrockneten Lilienknospen, Bambussprossen, Kastanien, Walnüssen, aber auch mit Abalone, Glasnudeln usw. verarbeiten — alles Zutaten, die eine lange Garzeit vertragen.

 

Schneidet man jedoch dasselbe Schweinefleisch in feine Streifen, kann man im Handumdrehn zusammen mit

Champignons, Frühlingszwiebeln, Stangensellerie, Bohnensprossen, Grünen Erbsen, in Streifchen

geschnittenen Paprikaschoten, Bambussprossen, Gurke, Blumenkohl oder Spinat ein Pfannengericht zaubern: auf hoher Temperatur rasch unter stetem Rühren so lange braten, bis alles von einem hauchfeinen Ölfilm überzogen ist, der sowohl würzt als auch die Hitze gleichmäßig verteilt.

 

Sehr fein gehacktes Schweinefleisch indessen kombiniert man am besten mit Wasserkastanien, die der weichen Masse Knackigkeit verleihen, und mit gehackter Zwiebel, die beim Braten ihr Aroma hineinmischt; oder man fügt gesalzenen Fisch oder getrocknete Shrimps hinzu.

 

Größere Scheiben Schweinefleisch bereitet man gern mit Leber oder Nieren zu, um ihren Geschmack zu verändern und abzurunden. Das gleiche gilt für das ebenfalls vielseitig verwendbare Hühnerfleisch. Gart man ein Hühnchen sehr langsam, so fügt man Gemüse wie Walnüsse oder Bambussprossen zu, die diese lange Garzeit vertragen.

 

Möhren oder Rübchen gelten als zu streng und kräftig und werden deshalb nie mit Geflügel gekocht.

 

Aber für pfannengerührte Hühnchengerichte steht eine große Auswahl von Gemüse zur Verfügung, die nur eine kurze Garzeit erfordern - oder auch vorbehandelte und fertige Zutaten wie Schinken, getrocknete Pilze und Baumpilze.

 

Nudeln werden in verschiedenen Formen und Längen angeboten. Will man sie mit Gemüse oder Fleisch

zusammen zubereiten, kürzt man sie im allgemeinen auf Streichholzgröße wie die übrigen Zutaten. Nur dann kann man alles so gründlich vermischen, daß Textur, Farben und Aromen der Beigaben eine harmonische Verbindung mit der Grundzutat eingehen - kein Wunder, wenn einem nun das Wasser im Munde zusammenläuft!

 

Forscht man nach, warum die begleitenden Zutaten so wichtig sind, dann trifft man auf zwei Gründe:

 

Eine aromareiche Hauptzutat (zum Beispiel Fleisch oder Fisch) vermögen sie zu betonen; und einem eher neutral schmeckenden Grundstoff (wie Nudeln oder Reis) verleihen erst sie Wohlgeschmack und Aroma.

 

Wahrscheinlich ist der zweite Grund der wichtigere, denn in einem wirtschaftlich unterentwickelten Land, wo man Fisch oder Fleisch nicht im Überfluß zur Verfügung hat, ist man darauf angewiesen, aus wenig viel zu machen.

 

Genau das ist wohl das Hauptanliegen chinesischer Kochkunst, und darin hat sie es zur Meisterschaft gebracht: Sie ist wirtschaftlich und rentabel!

 

Um diesem Anspruch noch besser gerecht zu werden, geht die Chinesische Küche einen Schritt weiter, vom kulinarischen Beiwerk zu frischen und getrockneten Würzzutaten.